Veröffentlicht am Schreib einen Kommentar

Der Eulenfärber

7. Der Eulenfärber 梟染め屋

Vor langer, langer Zeit war die Eule ein Färber. Sie erhielt Aufträge von vielen Vögeln und färbte alle möglichen Kleidungsstücke für diese beruflich. Zu dieser Zeit war die Krähe ein richtiger Stenz* und flog in einem strahlendweißen Anzug herum.
Eines Tages kam diese Krähe zum Eulenfärber und sagte, “Färbe meinen Anzug in einer Farbe, die man nirgend anders sieht.”
Die Eule nahm den Auftrag an und färbte den Anzug so schwarz wie Kohle. “Auf der ganzen Welt gibt es keine andere Farbe, die wie diese ist.”
Die Krähe war außer sich, doch konnte sie nichts dagegen tun. Sie vergaß niemals ihren Zorn der Eule gegenüber. Wann immer sie das Gesicht der Eule sieht, wird die Krähe wütend und verhält sich ihr gegenüber gemein. Aus diesem Grund versteckt sich die Eule bis heute nicht nur im Wald und kommt niemals heraus, während die Krähe wach ist, sondern, wenn die Krähe manchmal heraus findet, wo die Eule sich versteckt, wird diese von der Krähe maltretiert.

 

*im Original: dandy
Quelle: freie Übersetzung nach Mayer und Kunio (1952)

Veröffentlicht am Schreib einen Kommentar

Der Kuckuck und der Würger

6. Der Kuckuck und der Würger* 時鳥と百舌

Es gibt auch eine Geschichte darüber, dass der Kuckuck vor langer, langer Zeit ein handeltreibender Schuhmacher war. Der Würger war zu dieser Zeit ein Packpferdführer. Immer beauftragte der Würger den Kuckuck, seinen Pferden die Hufe zu schuhen, doch nie zahlte er die Rechnung.
Der Kuckuck behielt dies in Erinnerung und ruft nun immer, “靴の代は如何した (Was ist mit der Schuhrechnung)?”
Daraufhin versteckte sich der Würger immer aus Scham dann irgendwo, wenn die Zeit war, dass der Kuckuck raus kommt und ruft. Der Würger fängt seitdem alle Arten von Insekten und spießt diese auf Zweige, um den Kuckuck bei guter Laune zu halten.

Jedoch gibt es außerdem auch die folgende Geschichte, und es ist schwer zu sagen, welche wahr ist.
Vor langer Zeit mochte der Würger das Weintrinken. Der Kuckuck gab ihm Geld, mit welchem er eine Buddhastatue für den Altar seiner Familie kaufen sollte, doch gab dieser alles für Wein aus.
Daher erinnert der Kuckuck den Würger jedes Jahr, wenn dieser zugegen ist und ruft, “本膳かけたか(Hast du schon die Statue aufgestellt)?”
Wenn der Würger dies hört, bleibt er so leise wie nur möglich und kommt nicht heraus.
Manche würden sagen, dass das Gesicht des Würgers rot ist, da er den Wein getrunken hat; andere würden sagen, dass das Gesicht des Würgers rot ist, da er sich schämt.

 

*gemeint ist hier der Büffelkopfwürger oder Japanische Würger, eine Vogelart
Quelle: freie Übersetzung nach Mayer und Kunio (1952)

Veröffentlicht am Schreib einen Kommentar

Die Kuckucksbrüder

5. Die Kuckucksbrüder 時鳥の兄弟

Vor langer, langer Zeit hatte der Kuckuck einen sehr gutherzigen jüngeren Bruder. Jedes Jahr im Mai ging der jüngere Bruder in die Berge, um dort Süßkartoffeln auszugraben, und kochte diese. Die besten von diesen gab er seinem älteren Bruder.kuckuck
Der ältere Bruder jedoch traute ihm trotz dessen nicht, und war sich sicher, dass sein Bruder die besseren Süßkartoffeln für sich behielt. Schließlich tauchte er in großem Zorn mit einem großen Fleischermesser auf und tötete seinen jüngeren Bruder. Er schnitt seinen Bauch auf, doch sah er dort nur grobe wilde Süßkartoffeln, voller Löcher. Voller Reue und Trauer über seine grausame Tat, änderte sich seine Gestalt zu der heutigen.
Und daher fliegt der Kuckuck noch heute immer, wenn es Zeit ist, die Süßkartoffeln zu ernten, herum und singt. Wenn du genau hinhörst, hörst du sein Klagen,

おとうと こいし (Armer kleiner Bruder,)
ほって にて くわそ (Ich ließe dich graben und kochen und essen;)
おとうと こいし (Armer kleiner Bruder,)
いも ほって くわそ (Süßkartoffeln ließe ich dich graben und essen.)

Quelle: freie Übersetzung nach Mayer und Kunio (1952)

Veröffentlicht am Schreib einen Kommentar

Die Gefolgsamkeit der Taube

4. Die Gefolgsamkeit der Taube 鳩の孝行

Vor langer langer Zeit war die Taube ein wirklich launisches Geschöpf, welches nicht auch nur einmal auf seine Mutter hören wollte. Sagte seine Mutter, dass es in die Berge gehen sollte, so ging es auf die Felder. Sagte seine Mutter, dass es auf die Felder gehen sollte, so ging es in die Berge.
Die Mutter wollte nach ihrem Tod auf einem ruhigen Berg begraben werden, doch dachte sie sich, falls sie den Wunsch so ihrem Sohn gegenüber äußerte, würde dieser erneut das Gegenteil tun, also bat sie ihn mit Absicht, ihr Grab auf einer hato2Sandbank im Fluss zu errichten.
Nun begab sich, dass die Mutter starb und der Sohn realisierte zum ersten Mal, dass es falsch war nie auf seine Mutter gehört zu haben. Dieses Mal tat er wie geheißen und errichtete das Grab auf einer Sandbank im Fluss. Als der Fluss sich jedoch mit Regen füllte, wurde die Taube panisch vor Sorge, dass das Wasser das Grab hinweg spülte.
Und aus diesem Grund erinnert sich die Taube noch heute, wenn es regnet, und weint, “トートーポッポ、親が恋しい(tô-tô-poppo, oh arme Mutter)!”
Es wäre wohl besser gewesen, hätte die Taube ihrer Mutter schon ein wenig früher gehorcht.

Quelle: freie Übersetzung nach Mayer und Kunio (1952)

Veröffentlicht am Schreib einen Kommentar

Der Spatz und der Specht

3. Der Spatz und der Specht 雀と啄木鳥

Vor langer, langer Zeit waren der Spatz und der Specht Schwestern. Als eine Nachricht sie erreichte, dass ihre Mutter krank war und im Sterben lag, war die Spatzendame gerade dabei ihre Zähne zu schwärzen, dennoch flog sie schnell zu ihrer Mutter, um sich um sie zu kümmern. Daher sehen ihre (des Spatzes) Wangen bis heute verdreckt aus, während die obere Hälfte ihres Schnabels immer noch weiß ist. Die Spechtdame hingegen nahm sich viel Zeit, legte gemütlich Rouge und Puder auf und kleidete sich an, bevor sie sich auf den Weg machte.

Daher können Spatzen, obwohl ihre Erscheinung nicht die schönste ist, immer in der Nähe von Menschen leben und genügend von dem Getreide essen, welches auch Menschen essen. Und obwohl das Aussehen des Gesichts des Spechtes wunderschön ist, so kann er doch nur von früh morgens an im Wald herum fliegen, auf Bäume hämmern “gakkamukka“, und gerade so drei Würmer am Tag finden. Wenn die Nacht kommt, fliegt der Specht zurück in seine Baumhöhle und weint, “おわえ、病めるだや (Oh, mein Schnabel schmerzt).”

Quelle: freie Übersetzung nach Mayer und Kunio (1952)

Veröffentlicht am Schreib einen Kommentar

Wieso die Qualle keine Knochen hat

2. Wieso die Qualle keine Knochen hat 海月骨無し

Vor langer, langer Zeit erwartete die Gemahlin des Königs des Drachenpalastes ein Kind, und sie hatte das seltsame Verlangen, eine Affenleber zu speisen. Willens ihren Wunsch irgendwie zu erfüllen, rief der König nach einem seiner Untertanen, der Schildkröte, und fragte sie, ob sie eine Lösung kenne.
Die Schildkröte war ein weises Geschöpf. Sie begab sich umgehend auf eine Reise und traf unterwegs auf die Insel Japans und fand dort einen Affen auf einem Berg nahe eines Strandes spielen.
“Meister Affe, Meister Affe, möchtest du vielleicht als Gast in den Drachenpalast kommen?” fragte die Schildkröte. “Dort gibt es hohe Berge und alle möglichen Feste. Wenn du möchtest, nehme ich dich mit,” bot sie an, und zeigte ihren großen Rücken.
Der ahnungslose Affe wurde von den schönen Worten verlockt und begab sich frohlockend zum Drachenpalast. Als er ankam stellte er fest, dass der Ort noch prächtiger war als ihm erzählt wurde.
Während der Affe am Eingangstor stand und auf die Schildkröte wartete, dass sie ihn führt, schaute die Qualle, die der Pförtner war, dem Affen ins Gesicht und brüllte vor Lachen.kahage
“Meister Affe, du bist wirklich ahnungslos, oder? Die königliche Gemahlin wird ein Kind gebähren und sagt, dass sie eine Affenleber verspeisen möchte. Deswegen wurdest du als Gast eingeladen,” erklärte die Qualle.
“Das geht nicht,” dachte der erschrockene Affe, doch war auch er clever. Er wartete also, als hätte er nichts gehört.
“Meister Schildkröte,” rief der Affe aus, “Ich habe etwas unheimlich dummes getan. Hätte ich gewusst, dass es solch ein Wetter wird, hätte ich meine Leber mit gebracht, doch ich habe nicht daran gedacht und habe sie in einem Baum auf dem Berg hängen lassen, damit sie in der Sonne trocknet. Falls es zu regnen beginnt, könnte sie nass werden, und das besorgt mich.”
“Was, du bist mit gekommen und hast deine Leber zurückgelassen?” schrie die Schildkröte. “Dann gibt es nichts anderes zu tun als zurückzugehen und sie zu holen.”
Daraufhin nahm sie den Affen erneut auf ihren Rücken und brachte ihn zum Strand zurück. Sobald sie Land erreichten, sprang der Affe ab und kletterte auf die Spitze des höchsten Baumes. Dort angekommen sah er aus als wäre nichts geschehen.
Alarmiert fragte die Schildkröte, “Was ist los, Affe, alter Freund?”
Lachend antwortete der Affe, “Innerhalb des Ozeans kann es keine Berge geben; außerhalb des Körpers kann es keine Leber geben.”
“Dies ist sicher passiert, weil die redselige Qualle zu viel gesprochen hat, während der Affe am Tor gewartet hat,” beschwerte sich die Schildkröte als sie zum Drachenkönig zurück kam.
“Dieser widerspenstige Kerl!” brüllte der König. “Schäle all seine Schuppen ab! Entferne all seine Knochen!”
Dies ist wie die Qualle die Form bekam, die sie nun hat. Es war eine Strafe für ihre Redseligkeit.

Quelle: freie Übersetzung nach Mayer und Kunio (1952)

Veröffentlicht am Schreib einen Kommentar

Wieso der Schwanz des Affen kurz ist

Yanagita Kunio

Yanagita Kunio 柳田國男, der Großmeister der japanischen Märchenforschung, publizierte 1942 eine überarbeitete Version seines Buches Nihon no Mukashibanashi 日本の昔話 (Die Märchen Japans).

Im Vorwort zu diesem erklärt Kunio, dass der Großteil der enthaltenen Märchen nie zuvor verschriftlicht worden war, und dennoch bis heute (1942) in den Köpfen der Japaner lebte. Er ist stolz auf die große Zahl von japanischen Märchen und unterstreicht, dass die Märchen im vorliegenden Buch aus ganz Japan stammen, wenn auch regionale Unterschiede durchaus möglich seien. Somit sind es keineswegs Märchen einzelner Regionen, sondern Märchen der japanischen Nation.

Während der nächsten Monate werden an dieser Stelle alle einhundertacht Märchen der Sammlung veröffentlicht, um einen runden Gesamtüberblick über die japanische Märchenwelt, welche so noch heute bekannt ist, zu geben.

 

1. Wieso der Schwanz des Affen kurz ist 猿の尾はなぜ短い

Vor langer, langer Zeit war der Schwanz des Affen dreiundreißig Klafter (ca. 10m) lang. Wegen eines Streiches, den der Bär dem Affen spielte, wurde er zu so einem kurzen Schwanz.
Eines Tages rief der Affe am Haus des Bären und fragte, “Auf welche Weise fängt man viele Fische aus dem Fluss?”saru
Nach einiger Diskussion empfahl der Bär, “In einer kalten Nacht wie dieser, setze dich auf einen Felsen über tiefem Wasser und und versuche, deinen Schwanz in das Wasser zu halten und dort zu lassen. Mit Sicherheit werden viele kleine Fische verschiedener Arten kommen und versuchen, ihn zu fressen.”
Der Affe tat fröhlich wie im gesagt. Während die Nacht immer tiefer wurde, wurde sein Schwanz immer schwerer und schwerer. Das lag daran, dass das Eis sich verbreitete, doch der Affe dachte, es lag an den Fischen, welche versuchten seinen Schwanz zu fressen.
“Dies sind genug gefangen,” entschied er schließlich. “Ich möchte nach Hause gesehen, weil es zu kalt ist.”
Er versuchte seinen Schwanz nach oben zu ziehen, doch egal was er tat, er bekam ihn nicht gezogen.
“Das ist schrecklick,” schrie er um sich schlagend. Schließlich, nach einem verzweifelten letzten Ruck, riss sein Schwanz an der Wurzel ab.
Es gibt Leute, die sagen, dass der Grund für die Röte des Gesichts des Affen der ist, dass er sich beim Ziehen des Schwanzes zu sehr anstrengte.

Diese Version des Märchens stammt aus 出雲市 Izumo, 島根県 Shimane Präfektur, westlich von 京都 Kyôto.

Quelle: freie Übersetzung nach Mayer und Kunio (1952)